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Die Stadt, der Konsum & der Voyeur
Steirischer Herbst in Graz


Kommen Sie, kommen Sie und kaufen Sie! Doch diesmal gibt es kein neues schickes Outfit, oder besonders leckere Zutaten für das opulente Abendessen, sondern einen Tanz. Zum Beispiel eine Stunde lang Salsa mit Fernando. Ab zehn Euro sind Interessenten dabei: Ein professioneller Tänzer übt mit ihnen den stilgerechten Hüftschwung. Der Tänzer wird zum Verkäufer, der Kunde zum Künstler - nicht zum Dancing Star. Die Gruppe "Rubato" mischt sich mit ihrem Tanzladen "Herzschritt" in das Stadtleben ein, als Teil des Projekts "Body Cities Subjects" beim Steirischen Herbst. Alles nur Konsum?
Gabriele Klein, Kuratorin Steirischer Herbst Kaufen, kaufen, kaufen - ist das ganze Leben nur Konsum? Seit der Moderne wird in Städten produziert und konsumiert - auch Kultur. Allen bürgerlichen Institutionen wie Theater und Oper oder avantgardistischen Kleinbühnen und Galerien zum Trotz geht der Trend immer mehr zum Event. Es muss etwas passieren, damit der Verbraucher aufmerksam wird. Und dabei war und ist es gerade der urbane Raum, der kleinere Formen überhaupt möglich macht. Denn die Avantgarde ist nicht auf dem Land, sondern in den Städten gewachsen, auch wenn sie schon aufmüpfiger und kämpferischer war als heute. Kuratorin Gabriele Klein glaubt, dass Menschen zunehmend als Konsumenten und "Voyeure" in die Städte gehen. br> Theater im Bahnhof: "Nicht einmal Hundescheiße". In Graz gibt es auch einiges zu sehen. Etwa Theaterkaraoke auf der grünen Wiese, direkt an befahrenen Straßen: Das Theater im Bahnhof verlässt einmal mehr für seine abstrusen Betrachtungen und Gedankenspiele in "Nicht einmal Hundescheiße" das sichere Terrain einer Bühne und stellt sich direkt der Öffentlichkeit. Und die Zuschauer sind die eigentlichen zur Schau Gestellten, denn sie sitzen quasi in der Auslage. Ein improvisiert wirkender Eingriff in das Stadtleben, schließlich könnten die Schauspieler an jeder Ecke auf überraschte Passanten stoßen. Der Einwohner der europäischen Stadt wird mit Zivilisationsmüll zugeschüttet, kein Wunder, dass das beschauliche Häuschen am Stadtrand lockt. Ähnlich wie in amerikanischen Städten verschiebt sich das Verhältnis von Zentrum und Peripherie.
Stadtoper In Graz sind die Menschen angehalten, sich der täglichen Selbstinszenierung der Stadt hinzugeben. Peter Ablinger bespielt mit seiner "Stadtoper" die ganze Stadt, inszeniert die Plätze und Geräusche, oder besser den Gesang der Stadt. Von der "Bestuhlung" über die Kulisse, das Orchester bis zum Gesang - jedem wichtigen Teil einer Opernaufführung ist ein Akt gewidmet. Die Reizüberflutung beim Stadtspaziergang kann den Passanten nur überfordern, da tut es gut, wenn zwischendurch ein paar Eindrücke abhanden kommen. Die "Kulisse" - Akt Fünf von "Opera/Werke" - blendet je nach Blickwinkel Graz-typische Ansichten aus. Kunst kann den Blick des Betrachters auf das Gebilde namens Stadt in bestimmte Bahnen lenken, ganz besonders im öffentlichen Raum. Bleibt allerdings die Frage, ob er überhaupt noch erreicht wird, der potentielle Konsument. Provokation fällt heute schwer Heute sei es schwierig geworden, Kunst im öffentlichen Raum zu machen, sagt Gabriele Klein. "Provokation ist heute nicht mehr so schnell herzustellen. Da die Stadt selber so stark inszeniert und theatralisch wird, müssen Formen der Inszenierung besonders sein." "Friendly Alien"- Kunstmuseum Was aber, wenn sich sogar schon ein "Friendly Alien" in Form des neuen Kunstmuseums inmitten der altehrwürdigen Dachlandschaft breit gemacht hat? Die Stadt Graz ist einiges gewohnt, was Provokation und Kunst im öffentlichen Raum betrifft. Sie ist eine kleine Großstadt, deren Tore für Zeitgenossen offen stehen. Das ist typisch für den europäischen Raum, denn mit Ausnahme von London und Paris gibt es hier keine Metropolen. So können auch kleinere Städte am ökonomischen wie kulturellen Wettkampf teilnehmen. Wie zum Beispiel das Kunsthaus Graz mit der Ausstellung "M Stadt".
"M Stadt" wie: Mega City oder Meta-Stadt - oder Mittelmaß? Der rätselhafte Titel kann auch als Synonym für den Entwicklungsprozess der europäischen Städte gelesen werden. Denn der Fahrplan dafür, wo und wie wir in Zukunft leben werden, ist längst noch nicht entworfen.
Kulturzeit: montags bis freitags, um 19.20 Uhr
Steirischer Herbst
Graz
29.09. bis 30.10.2005
"Herzschritt ...dance different"
Ein Tanzladen von Rubato
30.9. bis 15.10.2005
"OPERA / WERKE"
Stadtoper Graz in sieben Akten von Peter Ablinger
14.,15.,21.,22.10. und 1. bis 23.10.2005

"M Stadt"
EuropäischeStadtlandschaften
Kunsthaus Graz
bis 08.01.2006
Kulturhauptstadt Europas Graz 2003
Ein behäbiger Riese: Besucheransturm im neuen Kunsthaus Graz
Freundliches Alien gelandet: Das neue Kunsthaus in Graz ist eröffnet
07.10.2005

Barbara Pichler für Kulturzeit

erschienen in:
3 Sat / Kulturzeit, 07.10.2005