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Das "Schreibfieber" im Literaturhaus Graz
Es wurde ganz klar aufgezeigt, dass man nicht auf morgen warten muss, um Gesellschaftsstrukturen zu entdecken.


Zweimal dieselbe Szene. Immer anders, niemals aber falsch. So präsentierte der junge Grazer Regisseur Jakob M. Erwa im Literaturhaus Graz einen Auszug seines neuen Kurzfilms "Amphibia - An einem Tag in einem Sommer". Live vor Publikum improvisierten seine Hauptdarsteller eine der Schlüsselszenen seines bereits verfilmten Drehbuchs. Auch Johanna Moder, die schon zahlreiche Kurz- und Dokumentarfilme vorgelegt hat, machte den Entwicklungsprozess ihrer Arbeit sichtbar. Von einer nüchternen Lesung über eine Castingszene bis hin zum fertigen Filmausschnitt zeigte sie eine Szene aus "Her mit dem schönen Leben". Alles ist möglich. "Zur Zeit kann jeder schreiben, was er mag, und findet trotzdem sein Publikum." Oliver Bukowski, Spezialgast bei "Schreibfieber - Eine Stadt brennt", einem Projekt von UniT, der CineStyria und dem Literaturhaus Graz im Rahmen des steirischen herbstes, zog am letzten Abend im Gespräch mit den Regisseuren Dieter Boyer und Götz Spielmann Resümee. Doch ist dieser Satz keineswegs negativ gemeint, wie an den drei gut besuchten Abenden zu sehen war. Zwang nach vorne. Junge Dramatiker und Drehbuchautoren zeigten, dass das Wort "Avantgarde" - der Zwang, vorauszuschreiten - immer mehr an Bedeutung verliert. Ob Familiendrama oder Beziehungskiste, Ausbruch aus der Gesellschaft oder ein gescheiterter Selbstmord - kaum ein Stück glich inhaltlich dem anderen. "Die heutige Jugend arbeitet losgelöst von gesellschaftlichen Utopien. Alles ist lockerer, lässiger und vor allem: Weniger aggressiv", konstatierte Spielmann. Auch sprachlich sind keine Grenzen gesetzt, Gerhild Steinbuchs minimalistische Kunstsprache hat genauso ihre Berechtigung wie Marianne Strauhs' Alltagsdialoge.
Nüchterne Betrachtung. Unter der künstlerischen Leitung von Dieter Boyer wurden die als "szenische Lesungen" angekündigten Textfragmente abwechslungsreich in Szene gesetzt, sodass die Dialoge ihre volle dramatische Kraft entwickeln konnten. Vor allem Roman Senkls "Text 13" bewies eindrucksvoll sein Gespür für die Komplexität von zufälligen Begegnungen. Die unterkühlte Situation nach einem Selbstmordversuch, die Beziehung zwischen Opfer und Lebensretter - die in Senkls Texten immer wieder auftaucht - wirkte beklemmend.
Die Qualität des Gebotenen wurde durch das rege Publikumsinteresse bestätigt. Das Literaturhaus als offener Ort für junge Autoren hat sich wieder einmal bezahlt gemacht.

SONJA HARTER

erschienen in:
Kleine Zeitung, 31.10.2005