Das neue Werk von Gerd Kühr reflektiert in der räumlichen Verteilung der Instrumente (mehrere Klanginseln und Gruppen samt Live-Elektronik) konkret auf die vielfältigen Potenziale und Möglichkeiten des Aufführungsorts, der die Bedingungen der traditionellen Konzertpräsentation enorm elaboriert und erweitert. So wird besonders diese Uraufführung zur paradigmatischen Probe aufs Exempel, dass die Allianz von neuen Räumen und Technologien den KünstlerInnen profunde Folie und Basis abgeben können für tatsächlich innovative ästhetische Erkundungen und Expeditionen im Ozean Inkognito der Neuen Musik. Und Gerd Kühr riskiert mit seinem neuen Stück noch etwas Besonderes: den Versuch einer produktiven Vermittlung von musikalisch fortgeschrittener Moderne und Elementen aus Entertainment und Revue. Die Revueform erscheint also aufgehoben im Medium der Neuen Musik, indem diese ihr Referenz und Reverenz zugleich erweist. Die Lust am Changieren zwischen den Genres, die Techniken der Collage, der Schnitte und Überblendungen führen zu einem glitzernden Glissando von „sehr ernsten Scherzen“. Fast möchte man von einem „scherzando – vollkommen musikalisch“ sprechen. Gerd Kührs Revue instrumentale et électronique ist ein Werk des Aufbruchs, eine vergnügliche und von erkenntnisorientierter Neugier geleitete Reise ins Unbekannte. Die Helmut-List-Halle wird dabei zur Arche Noah der Neuen Musik. Der Hör- und Erlebnisraum für das Publikum wird zum imaginären Passagier-Deck. Von den vier Eckpunkten her tönt das Schlagwerk, ein dunkel timbriertes Instrumental-Quintett ist auf der Hauptbrücke positioniert, vier differenziert besetzte Trios bilden die Tangenten und Transversalen im spatialen Gefüge, über allem schwebend die Elektronik als Joker des klingenden Spiels. Im Medium der Revuefom verheißt diese Musik für alle und keinen: „Freies Geleit”. (ein Auftragswerk)
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